02.03.2021 | Pächterschutzgemeinschaft Amt Fischland-Darß
Erbbaupacht Fischland-Darß-Zingst: So soll einer Preisexplosion entgegengewirkt werden
Ein Anwalt bezeichnet die derzeitige Berechnung des Pachtzinses im Amtsbereich Darß/Fischland als unverhältnismäßig und als Wucher. Nun hat sich eine Interessengemeinschaft gebildet, die der Preisexplosion bei Erbbaupachtverträgen entgegenwirken will. Wie, das erfahren Sie hier.
Erbbaupacht Fischland-Darß-Zingst - Interessengemeinschaft gebildet!
Dierhagen
Die Verlängerung beziehungsweise der Abschluss eines Erbbaupachtvertrages kann teuer werden. Angelika Richter aus Bad Pyrmont müsste bei Verlängerung ihres Vertrages für ein Grundstück in Dierhagen-Ost im Jahr 2026 statt bis dahin gut 500 Euro im Jahr annähernd 18 400 Euro berappen. Grund sind die in der Vergangenheit stark gestiegenen Bodenrichtwerte, die die Berechnungsgrundlage für den Erbpachtzins bilden. Nun soll eine Interessengemeinschaft gebildet werden, um Druck auf Kommunen auszuüben, diese Preisexplosionen nicht an die Pächter weiterzugeben.
Betreut wird die Pächterschutzgemeinschaft Amt Darß/Fischland von einer Kanzlei in Bad Salzungen. Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Dr. Thomas Pforr, bezeichnet eine Steigerung der Erbpachtzinsen auf das bis zu 36-Fache der ursprünglichen Summe als „böse, existenziell gefährdende Überraschung“, weil Pächter das Grundstück beispielsweise als Altersruhesitz nutzen wollten.
Furcht vor Zerstörung der Ansiedlungsstruktur
Der Rechtsanwalt fürchtet eine Zerstörung der alteingesessenen Ansiedlungsstruktur zugunsten „einer künstlich geschaffenen Geldelite“, die sich im Amtsbereich ansiedle, weil der durchschnittliche Bürger die enormen Pachtzinsen nebst Bau- und Unterhaltskosten nicht bezahlen könne. Thomas Pforr stellt die Frage, ob diese Verwaltungspraxis rechtens sei, bewege sich die Gemeinde doch in einem Spannungsfeld zwischen Daseinsvorsorge, künstlicher Umgestaltung der Siedlungsstruktur und „unternehmerischer Vermarktung von Gemeindeeigentum in exorbitanten Größenordnungen“.
Für das rund 500 Quadratmeter große Grundstück direkt an der L 21, das Angelika Richter gepachtet hat und auf dem ein Ferienhaus steht, hat der Jurist das einmal durchgerechnet. Unter Berücksichtigung eines angeblichen Verkehrswertes von 610 Euro je Quadratmeter ergebe sich ein Kaufpreis in Höhe von gut 306 200 Euro.
Pachteinnahmen übersteigen Verkaufspreis
Mit dem erhöhten Erbpachtzins würde sich die Gesamtpacht während der üblicherweise auf 66 Jahre begrenzten Laufzeit auf mehr als 1,2 Millionen Euro summieren. Dieser Betrag steht laut Thomas Pforr in grobem Missverhältnis zum zu erzielenden Verkaufspreis. Er fragt sich, ob der hohe Pachtzins angesichts der kurzen Laufzeit – in anderen Kommunen werden Verträge mit Laufzeiten von 99 Jahren abgeschlossen – verhältnismäßig sei oder „ganz und gar Wucher“ darstelle.
Weil jede Kommune bei ihrem privatwirtschaftlichen Tätigwerden nicht nur an Recht und Gesetz, sondern auch an den Verhältnismaßstab gebunden sei – das ist im Falle der Bad Pyrmonterin aus Sicht Thomas Pforrs aber nicht der Fall –, wird über eine Sammelklage nachgedacht, um eine Vertragsverlängerung zu einem verhältnismäßigen Erbpachtzins durchzusetzen.
Wie dieser aussehe, hat der Anwalt schon mal ausgerechnet. Würde der Verkehrswert auf eine 66 Jahre lange Pachtdauer verteilt, kommt Thomas Pforr auf eine Pacht in Höhe von jährlich knapp 4650 Euro, bei einer ursprünglichen Pachtzeit von 99 Jahren würde sich die Pacht auf annähernd 3100 Euro belaufen.
Leipzigerin organisiert Pächterschutzgemeinschaft
Der Kontakt zu dem Anwalt ist über dessen Interesse an dem Haus von Angelika Richter in Dierhagen-Ost entstanden. Bei der Aussicht auf die künftige Höhe der Pachtzinsen habe er von Wucher gesprochen, so Angelika Richter. Sie unterstützt die Bildung der Interessengemeinschaft ausdrücklich. „Wir wollen Betroffene wachrütteln, die die Konsequenzen einer Vertragsverlängerung nicht überblicken. Wenn wir genügend Menschen zusammenbringen“, ist Angelika Richter überzeugt, „dann kommen wir auch zu einem Vergleich mit der Kommune.“
Den Aufbau der „Pächterschutzgemeinschaft Amt Darß/Fischland“ organisiert Heidi Keil. Sie selbst sei zwar nicht betroffen. „Ich finde es aber schlimm, was da passiert“, sagt die Leipzigerin. Sie fürchtet, dass die Gemeinde Grundstücke gewinnbringend verkaufe. Kontakt zu Heidi Keil kann per E-Mail an heidi.keil@t-online.de oder telefonisch unter 0179-3925997 aufgenommen werden.
Dem widerspricht die Dierhäger Bürgermeisterin Christiane Müller (Wählergemeinschaft Bündnis für Dierhagen). Grundstücke der Kommune würden regelmäßig nur in Erbpacht vergeben. Ausnahme war zuletzt ein Grundstück ohne Baurecht, das verkauft wurde. Ausgeschrieben sei derzeit ein Areal, für das bestimmte Bedingungen den Abschluss eines Erbbaupachtvertrages verhinderten.
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